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Kindheit und Jugend

„Aber diese Herkunft, und mein Erleben unter dem italienischen Faschismus erklären mein Interesse für alle unterdrückten Minderheiten und für alle Grenzgebiete der Kultur, der Politik, des menschlichen Lebens.“ (Claus Gatterer im TV-Magazin „teleobjektiv“ auf ORF2 vom 6.10.1976)

Claus Gatterer wurde 1924 als ältestes Kind einer Bergbauernfamilie in Sexten in Südtirol geboren. Das Elternhaus war österreichisch geprägt, wie Gatterer stets betonte. Der Vater brachte ihm die Liebe zum Lesen und zur Geschichte bei. Die Mutter versuchte ihrem Sohn schon mit fünf Jahren das Lesen und Schreiben in der verbotenen deutschen Sprache beizubringen: „Hätte Mussolini gewusst, dass die Mutter mich Deutsch lehrte, wäre er gewiß zornig geworden, dass wir ihm nicht folgten“, schrieb Gatterer 1984 in sein Tagebuch.
Die Kindheit und Jugend waren neben den Erinnerungen des Vaters an den Ersten Weltkrieg und an das untergegangene Habsburgerreich von der Italianisierungspolitik des italienischen Faschismus geprägt.
Nach der italienischen Grundschule in Sexten trat Gatterer in das bischöfliche Knabenseminar Vinzentinum in Brixen ein. In einem Brief an einen ehemaligen Schulkameraden schrieb er Jahrzehnte später: „Das Denken, das Zweifeln, das Fragen, das Neugierig-Sein und das Schreiben habe ich in eben dieser Kiste gelernt“, wie die Schüler das Knabenseminar liebevoll nannten.
1939 entschied sich Gatterers Familie im Rahmen der Südtiroler Option dafür, nicht ins Deutsche Reich auszuwandern und in ihrer seit 1919 zu Italien gehörenden Heimat zu bleiben. Es begann eine schlimme Zeit für seine Familie und alle sogenannten Dableiber, die Gatterer Jahrzehnte später folgendermaßen in seinem Tagebuch auf den Punkt brachte: „Die Option hat alle bis dahin gültigen Verhaltensregeln durchbrochen. Sie hat die künstliche innere Solidarität aufgehoben: Man durfte wieder Feinde haben im eigenen Lager […] Es begann damit, dass man meinen Geschwistern auf dem Schulweg eins auf den Kopf prunzte, und es endete damit, dass man die Feinde ins KZ oder vor das Exekutionspeloton brachte.“ Seine Kindheit und Jugend verarbeitete Gatterer später in seinem 1969 erschienenen autobiografischen Roman „Schöne Welt, böse Leut. Kindheit in Südtirol“ .
1943 maturierte Gatterer und floh vor der Einberufung in die Deutsche Wehrmacht nach Italien: vorerst nach Padua, wo er ein Philosophie- und Geschichtestudium begann, und anschließend nach Parma, wo er als Übersetzer tätig war. Nach dem Krieg kehrte er nach Südtirol zurück. Nach den ersten journalistischen Gehversuchen bei der Tageszeitung „Dolomiten“ und der Wochenzeitung „Volksbote“ übersiedelte Gatterer 1948 nach Österreich.

Interview mit Anna Gatterer

Anna Gatterer ist die Schwester Claus Gatterers. In diesem Interview aus dem Jahr 2007 zeigt sie eine Reihe von Erinnerungsfotos und erzählt über ihre Eltern und Bruder Claus Gatterer.

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